Nur für heute

Nur für heute werde ich mich bemühen,
den Tag zu erleben, ohne das Problem
meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.

Nur für heute werde ich die größte Sorge
für mein Auftreten pflegen: vornehm in meinem Verhalten. Ich werde niemand kritisieren,
ja, ich werde nicht danach streben, die anderen
zu verbessern, nur mich selbst.

Nur für heute werde ich in der Gewissheit
glücklich sein, dass ich für das Glück
geschaffen bin, nicht nur für die andere,
sondern auch für diese Welt.

Nur für heute werde ich mich an die
Umstände anpassen, ohne zu verlangen,
dass die Umstände sich
meinen Wünschen anpassen.

Nur für heute werde ich zehn Minuten
meiner Zeit einer guten Lektüre widmen;
wie die Nahrung für das Leben notwendig ist,
so ist gute Lektüre notwendig
für das Leben der Seele.

 

Nur für heute werde ich etwas tun,
das ich keine Lust habe zu tun;
sollte ich mich in meinen Gedanken
beleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen,
dass niemand es merkt.

Nur für heute werde ich
ein genaues Programm aufstellen.
Vielleicht halte ich mich nicht genau daran,
aber ich werde es aufsetzen.
Und ich werde mich vor zwei Übeln hüten:
vor der Hetze und der Unentschlossenheit.

Nur für heute werde ich fest glauben -
selbst wenn die Umstände das Gegenteil
zeigen sollten -, dass die gütige Vorsehung
Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es
sonst niemand auf der Welt.

Nur für heute werde ich keine Angst haben.
Ganz besonders werde ich keine Angst haben,
mich an allem zu freuen, was schön ist,
und an die Güte zu glauben.
 

Papst Johannes XXIII.

Die Kunst der kleinen Schritte

Ich bitte nicht um Wunder und Visionen, Herr, sondern um Kraft für den Alltag.
Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte!
Mach mich findig und erfinderisch, um im täglichen Vielerlei und Allerlei rechtzeitig meine Erkenntnisse und Erfahrungen zu notieren, von denen ich betroffen bin.

Mach mich griffsicher in der richtigen Zeiteinteilung. Schenke mir das Fingerspitzengefühl, um herauszufinden, was erstrangig und was zweitrangig ist.


Ich bitte um Kraft für Zucht und Maß, dass ich nicht durch das Leben gleite, sondern den Tageslauf vernünftig einteile, auf Lichtblicke und Höhepunkte achte, und wenigstens hin und wieder Zeit finde für einen kulturellen Genuss.


Lass mich erkennen, dass Träume nicht weiterhelfen, weder über die Vergangenheit, noch über die Zukunft. Hilf mir, das Nächste so gut wie möglich zu tun und die jetzige Stunde als die wichtigste zu erkennen.


Bewahre mich vor dem naiven Glauben, es müsste alles im Leben glatt gehen. Schenke mir die nüchterne Erkenntnis, dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge, Rückschläge eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind, durch die wir wachsen und reifen.


Erinnere mich daran, dass das Herz oft gegen den Verstand streikt. Schicke mir im rechten Augenblick jemand, der den Mut hat, mir die Wahrheit in Liebe zu sagen.


Ich möchte dich und die anderen immer aussprechen lassen. Die Wahrheit sagt man sich nicht selbst, sie wird einem gesagt.


Ich weiß, dass sich manchmal Probleme dadurch lösen, dass man nichts tut. Gib, dass ich warten kann.


Du weißt, wie sehr wir der Freundschaft bedürfen. Gib, dass ich diesem schönsten, schwierigsten, riskantesten und zartesten Geschäft des Lebens gewachsen bin.


Verleihe mir die nötige Phantasie, im rechten Augenblick ein Päckchen Güte, mit oder ohne Worte, an der richtigen Stelle abzugeben.


Mach aus mir einen Menschen, der einem Schiff mit Tiefgang gleicht, um auch die zu erreichen, die "unten" sind.


Bewahre mich vor der Angst, ich könnte das Leben versäumen. Gib mir nicht, was ich mir wünsche, sondern was ich brauche. Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte!

 

Antoine de Saint-Exupéry

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